Der Markt für Rechenzentren in Polen – Dynamisches Wachstum getrieben von Technologieriesen
Polen festigt seine Position als zentraler Datenhub in Mittel- und Osteuropa. Die aktuelle installierte Leistung des polnischen Data-Center-Marktes liegt bei rund 173 MW, die gesamte kommerzielle Fläche überschreitet 119.000 m². Laut Prognosen von PMR wird sich die Leistung bis 2030 auf über 500 MW verdreifachen, was einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von rund 25 % entspricht.
Warschau dominiert die Landschaft der Rechenzentren mit mehr als 60 % der gesamten kommerziellen Serverfläche in Polen. Diese Konzentration ist auf die strategische Lage der Hauptstadt, den Zugang zu Energieinfrastruktur und die Nähe zu wichtigen Internet-Austauschknoten zurückzuführen. Wichtige Standorte sind ehemalige Industrieareale wie die FSO-Flächen in Żerań, die Huta Warszawa in Bielany oder die Gebiete Wola und Ursus. Die historische Energieinfrastruktur dieser Flächen entspricht ideal den Anforderungen moderner Rechenzentren.
Wachstumstreiber des Marktes
Den Ausbau treiben vor allem globale Cloud-Betreiber voran. Microsoft erweitert seinen Data-Center-Komplex bei Warschau im Rahmen der Region „Poland Central“. Google baut seine Google-Cloud-Infrastruktur weiter aus, und AWS hat bereits eine lokale Zone in Warschau in Betrieb genommen. Auch Anbieter wie Equinix, Vantage Data Centers, EdgeConneX und Data4 gehören zu den Investoren und realisieren großvolumige Projekte, vor allem rund um die Hauptstadt.
Polens Position auf dem europäischen Markt für Rechenzentren ist stark. Das Land belegt den sechsten Platz in Europa in Bezug auf die Zahl der Rechenzentren und ist unangefochtener Marktführer in der CEE-Region. Das steigende Interesse der Investoren hat mehrere Gründe: die strategisch günstige geografische Lage, der Ausbau der Telekommunikationsinfrastruktur und die wachsende Nachfrage nach digitalen Dienstleistungen in der Region.
Anforderungen der Hyperscaler – Zentrale Standort- und Technikkriterien
Hyperscaler – Technologieriesen wie Microsoft, Google oder Amazon – stellen sehr spezifische Anforderungen an Standorte und technische Parameter von Rechenzentren. Ihre Bedürfnisse gehen weit über die klassischen Anforderungen von Unternehmen hinaus, die Colocation-Services nutzen.
Die Energieinfrastruktur ist das Fundament jeder Hyperscale-Investition. Große Rechenzentren benötigen einen Anschluss von über 100 MW. Die Stromkosten können 25 – 40 % der Gesamteinnahmen eines Objekts ausmachen. Microsoft schätzt, dass ein neues Rechenzentrum mehr als 100 MW Leistung pro Jahr benötigt. Ein solcher Bedarf setzt den Zugang zu Hauptversorgungsleitungen und eine stabile Stromversorgung voraus.
Auch die Anforderungen an die Internetkonnektivität sind entscheidend. Hyperscaler benötigen Hochleistungs-Glasfaserverbindungen von mehreren Anbietern. Die Diversifizierung der Anbieter eliminiert Ausfallrisiken und gewährleistet Redundanz. Die Nähe zu wichtigen Internetknotenpunkten und Austauschpunkten ist strategisch wichtig für die Servicequalität.
Tier III als Mindeststandard
Die technischen Anforderungen beinhalten mindestens eine Klassifizierung nach Tier III. Dieser Standard garantiert eine Verfügbarkeit von 99,982 % und N+1-Redundanz der Systeme. Die Infrastruktur muss einen unterbrechungsfreien Betrieb auch bei geplanten und ungeplanten Ausfällen von Stromversorgung oder Kühlung gewährleisten.
Der Standort sollte auch geotechnische Anforderungen erfüllen. Untersuchungen zur Bodenbelastbarkeit, zum Grundwasserspiegel und zum Überschwemmungsrisiko gehören zum Standard. Zusätzlich ist der Zugang zu Verkehrsnetzen wichtig, um schnellen Zugang für technisches Personal und den Transport von Hardware sicherzustellen.
Analyse der wichtigsten Akteure – Investitionsstrategien globaler Betreiber
Microsoft verfolgt in Polen die aggressivste Expansionsstrategie. Das Unternehmen eröffnete 2023 die Region „Poland Central“, die drei unabhängige physische Standorte im Raum Warschau umfasst. Im Rahmen des Programms „Polska Dolina Cyfrowa“ plant Microsoft bis Sommer 2026 eine zusätzliche Investition von 700 Millionen US-Dollar (2,8 Milliarden Złoty). Die Region bietet Azure-, Microsoft 365- sowie künftig Dynamics 365- und Power-Platform-Dienste an.
Google Cloud Poland ist seit 2021 aktiv und nutzt Infrastruktur, die von Rechenzentrumsbetreibern in Polen bereitgestellt wird. Obwohl die Details vertraulich sind, schätzen Analysten den Projektwert auf mehrere Milliarden Złoty. Google konzentriert sich auf die Bereitstellung von Cloud-Diensten für den mittel- und osteuropäischen Markt.
Amazon Web Services setzt auf eine Strategie der schrittweisen Expansion. 2022 eröffnete AWS eine lokale Zone in Warschau. AWS Local Zone ermöglicht es Kunden, Anwendungen mit minimaler Latenzzeit im Millisekundenbereich zu betreiben. Die Lösung ist besonders für Anwendungen geeignet, die niedrige Latenzen und Datenresidenz erfordern.
Equinix verfolgt eine konsequente Strategie zur Entwicklung von Interconnection-Infrastruktur. Das Unternehmen betreibt drei Rechenzentren (WA1, WA2, WA3) mit einer Gesamtfläche von 5.773 m² und einer Leistung von 7,94 MW. Derzeit wird ein weiteres Rechenzentrum (WA4) gebaut. Ein entscheidender Vorteil von Equinix ist ein Service, der alle 240 Rechenzentren des Unternehmens in 27 Ländern miteinander verbindet.
Erster Campus in Warschau
Vantage Data Centers eröffnete im Rahmen einer europäischen Expansion im Wert von 2 Milliarden US-Dollar den ersten Campus in Warschau. Das Objekt bietet 48 MW Rechenleistung auf einer Fläche von 36.000 m². Der fünf Hektar große Campus nutzt zu 100 % erneuerbare Energie und fortschrittliche Luftkühlsysteme.
Data4 startete 2023 seine Aktivitäten in Polen mit einer Finanzierung von 2,2 Milliarden Euro, von denen 500 Millionen Euro ausschließlich für den polnischen Markt vorgesehen sind. Die französische Gruppe ist auf Dienstleistungen für Großkunden spezialisiert, vor allem Hyperscaler.
Atman bleibt der Marktführer in Polen mit einer Auslastung von 91 % seiner Rechenzentrumsfläche. Das Unternehmen investierte über 300 Millionen Euro in die Erweiterung seiner Kapazität auf 43 MW. Derzeit baut Atman das Rechenzentrum WAW-3 in Duchnice bei Ożarów Mazowiecki.
Zentrale Herausforderungen – Energie, Regulierung und Cybersicherheit
Die steigenden Strompreise stellen derzeit die größte Herausforderung für Betreiber von Rechenzentren in Polen dar. Studien zeigen, dass 80 % der Entscheidungsträger in der Data-Center-Branche die Energiekosten als ihr zentrales Problem betrachten. Erschwerend kommt hinzu, dass Polen strukturell höhere Großhandelspreise für Strom aufweist als viele andere EU-Länder. Dies verschlechtert die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber alternativen Standorten in Europa.
Eine mögliche Lösung besteht darin, den Anteil erneuerbarer Energien zu erhöhen. Ohne Zugang zu vergleichsweise günstiger Energie aus erneuerbaren Quellen könnte Polen die Chance verpassen, sich als führender digitaler Hub in der CEE-Region zu etablieren. Betreiber fordern zunehmend, dass ihre Rechenzentren zu 100 % mit grüner Energiebetrieben werden. Beyond.pl war der erste Anbieter in Polen, der seine Anlagen ausschließlich mit erneuerbarer Energie versorgt. Eigenständige Photovoltaikanlagen oder langfristige cPPA-Verträge (Corporate Power Purchase Agreements) werden zum Standard.
Zusätzliche Anforderungen an die Sicherheit
Neue Cybersicherheitsvorschriften führen zu weiteren Anforderungen. Die NIS2-Richtlinie tritt 2025 in Kraft und umfasst einen deutlich größeren Kreis von Unternehmen als die bisherige Regulierung. Anbieter von ICT-Diensten, darunter Rechenzentrumsbetreiber, müssen künftig Risikomanagementmaßnahmen implementieren und Meldesysteme für Sicherheitsvorfälle etablieren.
Die DORA-Verordnung (Digital Operational Resilience Act) betrifft ab Januar 2025 insbesondere Finanzunternehmen. Sie schreibt regelmäßige Tests zur digitalen Widerstandsfähigkeit sowie detaillierte Berichte über IT-bezogene Vorfälle vor. Da der Finanzsektor einen erheblichen Teil der Data-Center-Kunden ausmacht, wirken sich die DORA-Anforderungen direkt auf Betreiber aus.
Ein weiteres zentrales Problem ist der Mangel an qualifizierten Fachkräften. Die Branche benötigt Experten für Energieinfrastruktur, Kühlsysteme und Cybersicherheit. Microsoft hat sich verpflichtet, bis Ende 2025 eine Million polnische Fachkräfte in digitalen Kompetenzen auszubilden. Diese Programme umfassen Schulungen in den Bereichen KI, Cybersicherheit und digitale Transformation.
Trends 2025 – Künstliche Intelligenz als Treiber des Wandels
Künstliche Intelligenz verändert die Anforderungen an Rechenzentren grundlegend. 2025 wird der Einfluss von rechenintensiven KI-Workloads die Branche massiv prägen. Komplexe Berechnungen verlagern sich zunehmend von klassischen CPUs auf GPUs, um parallele Rechenleistung zu nutzen.
Der steigende Leistungsdichtebedarf führt zu einem Paradigmenwechsel in Stromversorgung und Kühlung. KI-fähige Racks benötigen oft drei- oder vierstellige Kilowattwerte pro Rack. Die Auslastung kann dabei innerhalb kürzester Zeit von 10 % auf bis zu 150 % steigen.
Flüssigkeitskühlung als neuer Standard
Traditionelle Luftkühlsysteme reichen nicht mehr aus. Betreiber setzen zunehmend auf direkte Flüssigkeitskühlung (Cold-Plate Cooling) oder Immersionskühlung. Hybride Systeme aus Flüssigkeits- und Luftkühlung kommen häufig in Rechenreihen-Konfigurationen zum Einsatz.
Die gestiegenen Anforderungen durch KI erhöhen auch die Nachfrage nach intelligenten Energiemanagementsystemen. Rechenzentren müssen sich dynamisch an schwankende Lasten anpassen und gleichzeitig eine maximale Energieeffizienz gewährleisten. Automatisierung und Echtzeit-Monitoring sind hierfür unerlässlich.
Parallel zum KI-Boom wächst auch der Druck auf nachhaltige Entwicklung. Laut Prognosen könnte der weltweite Energieverbrauch von Rechenzentren bis 2026 um 80 % höher liegen als 2022. Goldman Sachs geht davon aus, dass sich der Energieverbrauch bis 2030 von 498 TWh auf 1.076 TWh verdoppeln wird. Dies zwingt Betreiber zu Investitionen in erneuerbare Energien und Technologien zur Effizienzsteigerung.
Sicherheitsherausforderungen im KI-Zeitalter
Mit dem Einzug von KI wird die Cybersicherheit komplexer. KI kann sowohl die Erkennung als auch die Durchführung von Angriffen erleichtern. Die wachsende Zahl von Ransomware-Angriffen erfordert hochentwickelte Systeme zur Bedrohungserkennung und -abwehr. Rechenzentren müssen KI-basierte Lösungen implementieren, um potenzielle Gefahren frühzeitig zu erkennen und proaktiv zu bekämpfen.
Fazit – Polens Zukunft als digitaler Hub Europas
Die Zukunft des polnischen Data-Center-Marktes hängt entscheidend davon ab, wie effektiv das Land Energie- und Regulierungsherausforderungen meistert. Polen hat eine realistische Chance, sich als führender digitaler Knotenpunkt in Mittel- und Osteuropa zu etablieren – vorausgesetzt, es gelingt, wettbewerbsfähige Strompreise aus erneuerbaren Quellen zu sichern und neue Cybersicherheitsanforderungen reibungslos umzusetzen.
Die Milliardeninvestitionen von Hyperscalern bestätigen das enorme Potenzial des Marktes. Die Entscheidungen, die in den kommenden Monaten getroffen werden, werden bestimmen, welche Rolle Polen künftig im europäischen Ökosystem von Rechenzentren spielt.